Archiv für Erdgeschichten 2021/02 Stefan Spiller Grube Brüche 8.9.2021


Beschreibung

Diese Erde stammt von der "Grube Brüche", die nicht nur die Ende des 19. Jahrhunderts stillgelegte Eisenerzgrube auf der Südseite der Martinshardt, sondern auch den vor dem Stollenmundloch liegenden großen Platz im Wald zwischen den Orten Müsen und Ferndorf im nördlichen Siegerland bezeichnet. Bis in die Zeit der Stilllegung standen hier einige zum Grubenbetrieb gehörende Fachwerkgebäude. Für mich ist es seit früher Kindheit ein Ort, der verknüpft ist mit vielfältigen, kontinuierlichen Erinnerungen, die ihn bedeutsam für mich machen, fast so etwas wie Verbundenheit begründen....



Diese Erde stammt von der „Grube Brüche", die nicht nur die Ende des 19. Jahrhunderts stillgelegte Eisenerzgrube auf der Südostseite der Martinshardt, sondern auch den vor dem Stollenmundloch liegenden großen Platz im Wald zwischen den Orten Müsen und Ferndorf im nördlichen Siegerland. Bis in die Zeit der Stilllegung standen hier einige zum Grubenbetrieb gehörende Fachwerkgebäude.

Für mich ist es seit früher Kindheit ein Ort, der verknüpft ist mit vielfältigen kontinuierlichen Erinnerungen, die ihn bedeutsam für mich machen, fast so etwas wie Verbundenheit begründen.

Als Kind führten mich viele Spaziergänge mit meinem Großvateret vor • , der mich, stets „bewaffnet" mit einem Spazierstock und gut „behütet", auf die Relikte des Bergbaus oder eine bis heute nie versiegte Quelle am Wegrand nahe der ,Brüche" hinwies. Ohne detaillierte Erläuterungen ließen seine Hinweise doch eine Vorstellung in mir entstehen, dass hier früher viele Menschen einer harten und gefährlichen Arbeit nachgegangen sein mussten. Diese untergegangene Welt lag als Kind für mich hinter der damals noch vorhandenen Eisentür vor dem Stollenmundloch, aus dem nun der kleine Bach mit Wasser gespeist wurde. Später ging es zum „Pfingstsingen" der Chöre aus dem benachbarten Kredenbach mit Eltern und Nachbarn zur „Grube Brüche", was weniger interessant war als der große Kessel mit Erbsensuppe und Mettwurst, die bei unserer zumeist zu frühen Ankunft noch eine Zeitlang köcheln musste. Besser als die Gesangsdarbietungen waren auch die kleinen „Schlachten" mit „Gusteln" (Tannenzapfen), die man sich mit seinen Altersgenossen, gut geschützt hinter den Stämmen des Fichtenhochwaldes, liefern konnte. Auch auf Mineraliensuche konnte man sich bei solchen Anlässen im Umfeld der „Brüche" schon machen, ansonsten ließ sich der niedrige Bach mit den umherliegenden Steinen, Ästen oder herausgelösten Grassoden hervorragend aufstauen.

Als der eigene „Radius" mit elterlicher Erlaubnis und Fahrrad größer wurde, fuhr ich mit den Freunden aus der Nachbarschaft zum „Steinesammeln" dorthin - wie eine Expedition von Schatzsuchern, die dann zuhause stolz ihre kostbaren Fundstücke mit Bleiglanz und Katzengold präsentierte.

Im Sachkunde-Unterricht der Grundschule, auch vor Ort und dank eines engagierten Lehrers, schärfte sich der Blick für die mit der „Grube Brüche" verbundenen Relikte der Vergangenheit.

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Mit der Jungschar übten wir uns hier an Mittwochnachmittagen im

Bumerangwerfen oder bauten ganz unchristlich, aber vermutlich vom biblischen Kampf gegen Goliat inspiriert, eine Zwille, die wir ausgiebig an leeren Blechdosen testeten.

Der ein wenig abseits gelegene Platz im Wald wenige Jahre später ein Ort der Mutproben und pubertärer Unvernunft — zum Abbrennen von Feuerwerk, vor dem der Hund des befreundeten Nachbarsjungen bis in den nächsten Ort Reißaus nahm, reichte der eigene Mut noch, wie der Klassenkamerad eine zur Kühlung im Bach vergessene Bierflasche zu „knacken" und zu verkosten, ging mir allerdings (noch) etwas zu weit.

Dann Etappenziel der regelmäßigen Laufrunde durch den Wald - gegen wen oder was auch immer.

Schließlich Ort der Selbstbesinnung und Erinnerung, dies umso mehr, als ich mittlerweile fast 400 km entfernt lebe: Ich kann diesen Ort nicht mehr, wenn es mir beliebt, aufsuchen. Er ist mir zum Erinnerungsort geworden.

S. Spiller, Pfullingen, November 2021